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Tür zu Tür-Befragung

Wie bereits erwähnt, wurden die Bewohner*innen auf unterschiedliche Weise befragt, um die methodenspezifischen Response-Verzerrungen auszugleichen und ein möglichst repräsentatives Sample zu bekommen. 20% der Haushalte wurden in einer Tür-zu-Tür-Befragung zu unterschiedlichen Tageszeiten direkt an der Tür befragt. Den restlichen Haushalten wurde der Fragebogen zweisprachig und mit Rückumschlag in die Briefkästen gesteckt. Ergänzt wurde die Befragung durch die Möglichkeit, bei Hoffesten, die in jedem der drei südlichen Wohnblöcke abgehalten wurden, die Fragebögen direkt auszufüllen.

Tür zu Tür Gespräche sind ein wesentlicher Bestandteil des Organizing-Ansatzes von Kotti & Co. Sie werden durchgeführt zur Erörterung von Problemlagen, wie etwa Mieterhöhungen und Forderungen auf Heiz- und Betriebskostennachzahlungen, zur Mobilisierung der Mieter*innen und zum aufmerksam Machen auf bevorstehende Versammlungen.

Die direkte, persönliche Ansprache an der Haustür ermöglicht das Erreichen von Mieter*innen, die schriftlich schwer zu erreichen sind. Ein großer Teil der Mieter*innen des Untersuchungsgebiets soll unter dieser Kategorie fallen. Diese Hypothese beruht einerseits auf der Tendenz einer überproportionaler Vertretung von Menschen mit hohen Bildungsabschlüssen bei schriftlichen Befragungen. Andererseits weisen die über die letzten Jahren auf Versammlungen und den offenen Sozial- und Mietrechtsberatungen von Kotti & Co. gemachten empirischen Beobachtungen darauf hin, dass viele Bewohner*innen des Kottbusser Tors, insbesondere diejenigen mit niedrigem Einkommen und/oder Migrationserfahrung, zum großen Teil schlechte Erfahrungen mit Bürokratie gemacht haben. Schriftverkehr und das Ausfüllen von Formularen werden mit Frustration und hohem Aufwand verbunden. Daher wird eine geringe Bereitschaft vermutet, den Fragebogen auszufüllen. Eine persönliche Ansprache bei der Tür zu Tür Befragung kann auch dem Misstrauen bei der Angabe von Sozialdaten entgegenwirken, insbesondere bei der Angabe von Einkommen. Das Misstrauen wurde tatsächlich in einigen Fällen überwunden mittels der Erklärung, dass die Angabe der Ausrechnung der Mietbelastungsquote dient. Außerdem bietet die Tür zu Tür Befragung eine Möglichkeit, der „kaum vorherzusagenden Höhe der Ausfallquote“ (Häder 2015: 242) entgegenzuwirken. Die große Bekanntheit von Kotti & Co. und das Vertrauen in die Initiative unter den Bewohner*innen des Untersuchungsgebiets wirkt auch in dieser Hinsicht.

Darüber hinaus gibt die persönliche Ansprache den Befragenden die Möglichkeit, mit den Mieter*innen ins Gespräch über die aktuellen Problemlagen am Kottbusser Tor und über die Ziele dieser Studie zu kommen. Diese Erfahrungen führten zu der Entscheidung, das Verteilen der Fragebögen mit Tür zu Tür Gesprächen zu kombinieren. Ziel der Tür zu Tür Befragung war eine Ansprache an jeder fünften Wohnungstür des Untersuchungsgebiets nach der Random Route Methode (vgl. Häder 2015: 152 ff.) in drei Begehungsrunden (vormittags, nachmittags, abends). Es wurde versucht, die nicht erreichten Haushalte mehrmals zu besuchen.

Mehrsprachigkeit war ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl der Befragenden. Aus eigener Anschauung und den Expert*inneninterviews ergab sich, dass es neben der türkischsprachigen auch eine arabischsprachige Community am Kottbusser Tor gibt, deren Größe schwer einzuschätzen ist (Interview Kotti e.V.). Zudem zogen in den letzten Jahren immer mehr Migrant*innen aus verschiedenen, überwiegend europäischen, Ländern, sowie aus den USA und Australien an das Kottbusser Tor (vgl. Auswertung der entsprechenden Items weiter unten). Für viele ist Englisch eine gemeinsame Sprachbasis. Aus diesen Gründen wurde der Fragebogen in folgende Sprachen übersetzt: deutsch, türkisch, arabisch und englisch.

Es wurden acht Zweierteams gebildet. Jedes Team bestand aus mindestens einer Person mit Deutsch- und Englischkenntnissen und aus mindestens einer Person mit Türkisch- oder Arabischkenntnissen. Damit die Daten nicht von persönlichen Beziehungen der Befragenden zu den Befragten beeinflusst wurden, wurden die Teamkonstellationen so ausgewählt, dass keine der Befragenden, sofern sie im Untersuchungsgebiet wohnen, in ihrem „eigenen Block“ im Einsatz war. Zudem wurden, soweit möglich, gendergemischte Teams gebildet.

An der Tür wurde die zu befragende Person gebeten, den Fragebogen in der erwünschten Sprache sofort, mit oder ohne Unterstützung durch die Befragenden, oder zu einem späteren Zeitpunkt auszufüllen. Die Befragenden boten an, einen Termin zur Abholung des ausgefüllten Fragebogens am selben Tag oder genau eine Woche später auszumachen. Andernfalls bekamen die Befragten einen Rückumschlag zur postalischen Rücksendung.

An der letzten Begehungsrunde erhielten alle Haushalte des Untersuchungsgebiets, außer den schon erreichten, einen deutschen und einen türkischen Fragebogen sowie Anschreiben und Rückumschlag in ihren Briefkasten.

Insgesamt wurden während der Tür zu Tür Befragung 46 ausgefüllte Fragebögen eingesammelt. Das entspricht 18,5% der anzusprechenden Haushalte und 3,7% der Haushalte des Untersuchungsgebiets. Da die Befragung nicht durch Aushänge oder Postwurfsendungen angekündigt wurde, sondern die Befragten erst an der Tür informiert wurden, kann die Response-Quote als außerordentlich gut beurteilt werden. Ein wichtiger Türöffner im wörtlichen Sinne war die Urheberschaft Kotti & Co. und die teilweise große soziale und fast immer sprachliche Nähe der Befragenden und Befragten. Befangenheiten, welchem Ziel die Fragen dienen und was mit den Daten geschieht, konnten allein dadurch bereits stark abgebaut werden.