Sehr geehrte Leserinnen und Leser, liebe Interessierte und Engagierte,
ich freue mich, dass die Initiative Kotti & Co, die seit Jahren die Interessen von Mieter*innen des sozialen Wohnungsbaus vertritt, mit der Studie (Re-)Kommunalisierung Plus. Modellprojekt am Kottbusser Tor die Debatte um eine Ausweitung der Mitbestimmung von Mieter*innen im Zuge der Rekommunalisierung von Wohnraum vorantreibt. Diese Forderung, die aus den konkreten Erfahrungen und Diskussionen von wohnungspolitischen Initiativen in Berlin hervorgegangen ist, hat 2016 Eingang in den Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und der LINKEN gefunden. Dort heißt es wörtlich: „Die Koalition unterstützt stadtweit Modellprojekte, wie am Falkenhagener Feld und am Kottbusser Tor angedacht, für selbstverwaltete Mietergenossenschaften.“
Die Studie fragt danach, ob die Idee einer starken Mietermitbestimmung und –verwaltung von Bewohner*innen am Kottbusser Tor unterstützt wird und versucht Ressourcen und Bedingungen für die Mitarbeit zu identifizieren. Damit wird ein bislang noch zu selten diskutiertes Problem angesprochen, nämlich welche Tragweite das wachsende Bedürfnis nach Mitsprache und Mitbestimmung hat und unter welchen Voraussetzungen es in funktionierende Institutionen und Prozesse einer sozialen und demokratischen Quartiersentwicklung überführt werden kann. Durch ihr anspruchsvolles Forschungsdesign, das qualitative und quantitative Methoden kombiniert, und auch das sehr konkret formulierte Erkenntnisinteresse kommt diese Studie zu einem wissenschaftlich beachtlichen Ergebnis. Das ist umso bemerkenswerter, insofern die Studie keine gewöhnliche Auftragsarbeit, sondern ein Projekt kollektiver Autor*innenschaft „aus dem Kiez“ ist. Es wird überzeugend dargelegt, dass die Verbindung von Rekommunalisierung mit Selbstverwaltung kein reiner Selbstzweck oder nur ein weiteres Partikularinteresse „lauter“ Minderheiten ist. Es besteht ein – wenn auch unterschiedlich - ausgeprägtes Bedürfnis, an Entscheidungen, die die eigene Wohnsituation und das Wohnumfeld betreffen, stärker mitzuwirken. Dieses Bedürfnis in seinen Facetten ernst zu nehmen und ihm durch die Entwicklung von praktikablen, zugänglichen und wirkungsvollen Entscheidungsstrukturen und -prozessen gerecht zu werden, ist eine Herausforderung, die über aktuelle wohnungspolitische Erfordernisse weit hinaus geht: Eine zeitgemäße progressive Stadtpolitik muss bei den alltäglichen Bedürfnissen der Menschen ansetzen und ihre Selbstbestimmung stärken. Warum also nicht beim Wohnen? Zugleich ist wichtig, dass angesichts von erstarkendem Rechtspopulismus und schwinden der gesellschaftlicher Solidarität Alternativen entwickelt werden für eine demokratische und solidarische Gestaltung unseres Gemeinwesens.
Es ist deshalb wichtig und begrüßenswert, dass an diesem Anliegen weitergearbeitet wird und die Bestrebungen zur Umsetzung nun erste Früchte tragen. Wie die Vorschläge und Anknüpfungspunkte für eine Folgestudie nahelegen, stehen wir bei der Suchbewegung nach gangbaren Wegen zu einer Demokratisierung auch des Wohnens noch am Anfang.
Ich sehe der weiteren Diskussion deshalb mit Interesse und Vorfreude entgegen.